Auch wenn viele Berufseinsteiger die freie Mitarbeit als eine Variante des Angestelltenverhältnisses sehen, handelt es sich hierbei formal um eine Form der Selbständigkeit. Auch die Arbeitsagenturen sehen dies so und fordern wie bei einer „echten" Kanzleigründung ein Gründungskonzept. Dieses Gründungskonzept, auch Businessplan genannt dient u.a. dazu, den Start in die Selbständigkeit im Vorfeld auf seine Erfolgschancen zu prüfen.
Das Konzept soll darstellen, wie das Vorhaben bezüglich wichtiger Aspekte wie Mandantenakquise und Finanzierung realisiert werden kann. Egal ob der Berufseinstieg als freier Mitarbeiter oder als Kanzlei- bzw. Sozietätsgründer erfolgt, soll mit dem Berufseinstieg der Lebensunterhalt und auch die Vorsorge langfristig bestritten werden.
Ein gut recherchierter Businessplan ist nicht in einer Woche erstellt. Formal sollten auf bis zu 20 Seiten ein Inhaltsverzeichnis, die u.g. Ausarbeitungen und die Kontaktdaten für eventuelle Rückfragen erfolgen.
Der von einer sog. fachkundigen Stelle abzuzeichnende Businessplan muss folgende Fragestellungen beleuchtet haben:
Je nach Konzept kann es sein, dass die Gründung einer Sozietät mehr Chancen auf Erfolg hat. An dieser Stelle wird dann ein Profil aller Beteiligten erwartet, das sowohl die fachliche als auch persönliche Vorraussetzungen für das Gründungsvorhaben enthält. Auch wenn es vielen Berufseinsteigern schwer fällt, sollte man sich hier Gedanken über die mit dem Gründungsvorhaben verbundenen und angestrebten mittel- und langfristigen Zielen machen.
Auch wenn sich viele Gründer damit schwer tun: es ist wichtig, mit einem konkreten Leistungsangebot bzw. Profil in den Markt einzutreten. Natürlich kann man sich als Einsteiger nicht direkt die Rechtsgebiete und Filetstücke raussuchen. Dennoch muss anhand der persönlichen Interessen und Fähigkeiten sich für eine gewisse Marschrichtung entscheiden. Hier ist bspw. die Frage entscheidend, welche Rechtsgebiete man anbieten will bzw. welche auf keinen Fall.
Erst die Bestimmung des Angebots ermöglicht, ein Marketing- und Akquisekonzept zu entwickeln und konkrete Wettbewerber zu defineren.
Der Wettbewerb ist auch aus Sicht des potentiellen Mandanten darzustellen. Hier ist auszuführen, wie sich der relevante Markt, die Beratung und Vertretung in rechtlichen Interessen in den nächsten Jahren und langfristig entwickelt. Auch ist zu prüfen, welche konkreten Wettbewerber es in direkter Umgebung und ggf. außerhalb der Anwaltschaft geben wird und wie sich bspw. die Rahmenbedingungen in den jeweiligen Rechtsgebieten oder bei der gewünschten Mandantengruppe verändern und entwickeln werden. Auch ist die Ermittlung der Kanzleidichte und die soziodemografischen Struktur hilfreich, um die Chancen der Gründung und das Umsatzpotential abzuschätzen.
In Städten, wo Jura studiert werden kann, ist die Anwaltsdichte besonders hoch, weil viele Absolventen dort „hängen" bleiben. Leider ist der mühsam aufgebaute Mandantenstamm immobil, d.h. bei einem Umzug vom Studienort zurück in die Heimat wird man weitestgehend neu anfangen müssen. Es empfiehlt sich daher vor dem Berufseinstieg zu überlegen, ob man in der Stadt langfristig leben will oder ob man lieber direkt am Wunschort oder in der „Heimat" starten sollte. Zum Thema Standort gehören auch Überlegungen, wo genau die Kanzlei gegründet wird. Hierzu gehören dann auch die Fragestellungen, ob es sich bei der Gründung um die sog. Wohnzimmerkanzlei handeln wird oder ob separate Räume angemietet werden. Auch die Frage der Erreichbarkeit der Kanzlei in Bezug auf Parkmöglichkeiten oder ob sie eine strategisch gute Lage zu der Zielgruppe oder zum Gericht hat.
Bei einer Gegenüberstellung mehrerer möglicher Standorte sind neben den entstehenden Kosten für die Anmietung und Beziehung der Räumlichkeiten viele weitere Faktoren von Bedeutung.
Die meisten Kanzleien werden als Einzelkanzlei bzw. in Bürogemeinschaft oder als Sozietät gegründet, also als GbR gegründet. Das Haftungsrisiko sollte jedoch nicht das einzige Kriterium für die zu wählende Rechtsform sein! Viele Gründer vernachlässigen in Gründungskonzepten das Thema der Kanzleiorganisation. Auch wenn oft noch die praktische Erfahrung von Kanzleiabläufen fehlt, können anhand von normalem Menschenverstand wichtige Aspekte beleuchtet werden: telefonische Erreichbarkeit, EDV, das Schreiben von Schriftsätzen, Ort der Mandantengespräche oder Aufgabenverteilungen innerhalb des Gründungsteams bzw. ggf. die Auslagerung von Tätigkeiten. Früher und später stellt sich dann hier auch die Frage nach dem Personal.
Anwälte scheuen Kosten, obwohl mit bestimmten finanziellen Ausgaben weitere Umsätze generiert werden können. So auch mit der Kanzleisoftware und Personalausgaben, denn beides schafft freie Kapazitäten z.B. für die Akquise oder Mandantenpflege bzw. Zeit, sich fachlich besser mit der Materie auseinanderzusetzen. Sie erhöhen aber auch die Qualität, weil Berufseinsteiger in beidem eine Orientierung zur Bestreitung des Arbeitsablaufs finden.
siehe auch: Kanzleimarketing
Ein Gründer sollte bestrebt sein so viel Umsatz zu machen, dass mindestens die Kosten für die Kanzlei – und auch für die private Lebensführung davon gedeckt werden. Dieser Teil des Businessplans setzt sich mit den Überlegungen auseinander, die sich mit der Akquise von Mandanten beschäftigen. Diese Fragen sind besonders im Vorfeld sinnvoll, denn im Alltag verzettelt man sich sonst sehr gerne mit inhaltlich und finanziell ineffektiven Marketing-Maßnahmen.
Es gilt konkret zu überlegen, welche Mandanten wie auf das eigene Angebot bzw. auf die Kanzlei aufmerksam gemacht werden können. Es ist gut, sich dabei auch zu überlegen, welche Bedürfnisse bzw.Fragestellungen sie haben (könnten) und welchen Nutzen sie aus der Mandatierung ziehen. Je nach Zielgruppe, Region, Marketingbudget und Kanzleiprofil gibt es unterschiedliche Kombinationen von Maßnahmen.
Als minimale Ausgaben und Maßnahmen fürs Marketing empfehlen sich: die Visitenkarte und das Kanzleischild unter Angabe der informativen Internetseite, Einträge in die Gelben Seiten und in Suchverzeichnisse. Allerdings sollten erst nach der konzeptionellen Ausarbeitung die Homepage und das sogenannte Corporate Design, also Schriftzug und am besten ein Logo entwickelt werden. Ein Wiedererkennungseffekt erleichtert vor allem das Marketing und die Mandantenbindung.
Die Anfangsinvestitionen ins Marketing sind hoch, aber notwendig, denn wie sollen Mandanten sonst auf die neugegründete Kanzlei aufmerksam werden? Ausgaben für Anzeigen sind effektiver eingesetzt, wenn diese möglichst „nah" bei der Zielgruppe geschaltet werde.
Aber wie sollen die Kosten für den Start vom Gründer aufgebracht werden
Nur wenige Gründer sind bereit, ausreichend Startkapital zur Verfügung zu stellen. Dieses kann privat oder durch Darlehen im Familien- und Bekanntenkreis bzw. ggf. bei Kreditinstitutionen aufgebracht werden. Wie aber berechne ich den Kapitalbedarf?
Hintergrund der Auseinandersetzung sind zwei Aspekte: die Arbeitsagentur fördert die Gründung mit dem Ziel, dass dadurch eine tragfähige Existenzgrundlage geschaffen wird und zweitens, dass der Gründer seine Rechnungen zahlen kann, also stets zahlungsfähig ist. Von den Berechnungen in der „Zahlenwelt" der Kanzlei setzt sich die Liquiditätsrechnung mit der Frage der Zahlungsfähigkeit auseinander. Im Rahmen des einzureichenden Konzeptes wird erwartet, dass für die ersten drei Jahre nach der Gründung monatsgenau die Ausgaben und die Kosten gegenüber gestellt werden, also alle zu erwartenden Geldflüsse.
Die Liquiditätsrechnung ist nicht mit der Rentabilitätsrechnung zu verwechseln, denn letztere berücksichtigt steuerliche Aspekte. Die Anfangsinvestitionen verdeutlichen den Unterschied zwischen der Rentabilitäts- und Liquiditätsrechnung am besten: Für die Kanzleiausstattung werden z.B. 20.000 Euro benötigt, die innerhalb einer Frist an die verschiedenen Lieferanten bezahlt werden müssen. Für diese Zahlung ist es notwendig, dass ein entsprechender Betrag verfügbar ist. Im ersten Jahr sind die tatsächlichen Zahlungen immer am höchsten.
Bei der Rentabilitätsrechnung werden dagegen nur die Ausgaben entsprechend der Nutzungsdauer, z.B. 13 Jahre für Regale in den Jahren anteilig angesetzt. Beides resultiert aus der Kosten- und Umsatzplanung. Bei der Kostenplanung werden die anfallenden betrieblichen Ausgaben erfasst. Vor allem aus Unerfahrenheit tun sich viele Gründer mit der Umsatzplanung schwer. Es empfiehlt sich, mit angenommenen Durchschnittshonoraren zu planen und konkret zu überlegen, wie viele Mandanten am Anfang realistischer Weise akquiriert werden können und durch welche Aktionen diese gewonnen werden konnten.
Nachdem die „Zahlenwelt" für die nächsten drei Jahre in Tabellenform dargestellt wurde, ist der Businessplan soweit vollständig. Es ist nun eine wertvolle Unterstützung bei der Akquise – auch für freie Mitarbeiter und angestellte Anwälte, die Mandanten akquirieren müssen. Er verlangt, dass man sich mit dem Angebot, dem Markt und den Nachfragern auseinandersetzt und Kenntnisse über die Zielgruppe für ein effektives Marketing erlangt.
Die Autorin Jasmin Isphording ist selbständige Kanzleiberaterin und unterstützt Rechtsanwälte u.a. bei der Existenzgründung
www.jasis-consulting.de